Kiebitz-Kolonie in Not

In der Süddeutschen Zeitung vom 7.2.2020 schreibt Christine Setzwein in Sorge um Kiebitz-Kolonie, dass das Projekt von Naturschützern, Behörden und Landwirt im Aubachtal offenbar vor dem Scheitern steht.

Auch der Starnberger Merkur vom selben Tag berichtet zum Thema (Kiebitz-Kolonie in Not von Hanna von Prittwitz):

Täglich könnten sie kommen: In Hechendorf warten die Naturschützer schon auf die Kiebitze, die im Aubachtal zwischen Hechendorf und Seefeld eine kleine Kolonie gegründet haben. Heuer allerdings könne es für die geschützten Zugvögel schwierig werden.

Der Landwirt, der die Fläche bewirtschaftet, hat Wickroggen eingesät. Die grünen Halme stehen schon einige Zentimeter hoch. Constanze Gentz von der Bund Naturschutz-Ortsgruppe Seefeld fürchtet, dass die Kiebitze unter diesen Umständen nicht brüten können – sie brauchen dafür große, offene Bodenflächen.

Im Interview mit dem Starnberger Merkur behauptet Landwirt Johann Hirschvogel, „der BN habe ihm gar eine Geldstrafe von bis zu 30 000 Euro angedroht, falls er einen der Vögel mit dem Traktor erwischen würde.“ Es ist sehr schade, wenn man solche Anschuldigungen über die Presse erfährt, die nicht der Wahrheit entsprechen. Es gab nie eine Drohung seitens des BUND Naturschutz.

Die zunehmende intensivere Bewirtschaftung der letzten 30 Jahre und unzureichender Schutz führten zu einem Rückgang des Kiebitz-Bestands um 88% – auch Seefeld ist davon betroffen. Daher stimmt es, dass es Kiebitze schon immer gab, aber eben deutlich mehr. Und dass der betroffene Landwirt schon immer schonend damit umgegangen ist, ist unbestritten. Allerdings hat sich die Lage für die vom Aussterben bedrohte Vogelart doch dramatisch verändert.

Die immer intensivere Bewirtschaftung, die die Entwicklung der Landwirtschaft mit sich zog, machte den Kiebitzen zu schaffen, auch das Zerschneiden von Lebensräumen und die Zersiedelung. Häufig werden Äcker in der Nacht durch einen Maschinenring bewirtschaftet. Wie soll man im Dunkel ein Gelege auf einem riesigen Acker erkennen? Wer selber einmal ein Kiebitz-Gelege ausgesteckt hat, weiß, wie schwierig es ist, die perfekt getarnten Eier im Acker zu finden. Sobald die kleinen Kücken schlüpfen, sind sie zwar auf den Beinen, jedoch in den ersten Lebenstagen im unwegsamen Gelände nicht schnell genug, um einem Traktorreifen ausweichen zu können. Zudem ducken sich die Jungvögel in den ersten 14 Lebenstagen einfach nur ab und harren der Dinge, was für sie tödlich enden kann.

Es gehört also zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Bodenbrüter mehr als nur der gute Wille, nicht drüber fahren zu wollen. In den letzten drei Jahren haben wir das in Seefeld vorbildlich geschafft, Hand in Hand. Wir sind vor dem Traktor hergelaufen und haben die Jungvögel aus dem Weg geschafft, um Verzögerungen bei der Bewirtschaftung zu verhindern, wir haben die Gelege in vielen Stunden ehrenamtlicher Arbeit ausfindig gemacht und ausgesteckt, haben die Kiebitze vor Dachs und Fuchs mit einem Elektrozaun geschützt. Bürger und Hunde-Führer*innen haben vorbildlich den Kiebitzen Ruhe gegeben und sich – durch die viele Öffentlichkeitsarbeit aufgeweckt – an ihnen erfreut und ihnen Respekt gezollt. Toll, die Seefelder*innen waren wirklich stolz auf ihre Kiebitze. Endlich konnten Jungvögel in Seefeld wieder die ersten 40 Tage ihres Lebens meistern und das Fliegen erlernen und damit den Gefahren auf dem Boden ausweichen. Nicht umsonst wurde es zum Leuchtturmprojekt.

In Zeiten dieses massiven Artensterbens können wir es uns nicht mehr leisten, weitere Arten aussterben zu lassen. Dafür ist unser Ökosystem, das uns Menschen trägt, zu löchrig und instabil geworden. Stehen dafür wirklich vier Hektar Wickroggen im Verhältnis, oder ist es nicht irgendwie möglich, eine andere Lösung zu finden? Man kann den Landwirt verstehen, wenn er zusätzlich Ackerflächen verloren hat, dass er unter Zugzwang steht, das Futter für seine Tiere zu produzieren. Trotz all der Zwänge muss es trotzdem ein Weiter für die Kiebitze geben. Denn sie kommen nun aus dem Winterquartier und finden hier kein Zuhause mehr.

Am Geld kann es nicht liegen, dass der Landwirt nicht mehr mitmachen will. Denn letztes Jahr hat er von sich aus angeboten, zwei statt einem Hektar seines Ackers brach zu legen. Die Ausgleichszahlungen wurden mühsam in einer Beitragserstattungsrechnung errechnet. Weil Constanze Gentz dem Landwirt nicht zumuten wollte, das mehrseitige Formular ausfüllen zu müssen, suchte sie Hilfe und landete durch Zufall in der Regierung von Oberbayern. Alle waren sehr bemüht, eine korrekte Abwicklung durchzuführen und auch ein anderer Landwirt kam mit der Höhe der Ausgleichszahlungen gut zurecht. Zusätzlich bekam der betroffene Landwirt von der Schutzgemeinschaft Aubachtal eine nicht unerhebliche Gelege-Prämie.

Wie soll es nun mit Seefelder Kiebitzen weitergehen? Gäbe es Ausweichflächen für den Landwirt, um einen Tausch anzubieten? Wenn es nicht gelingt, die Bewirtschaftung Kiebitz-freundlich zu gestalten, wird der Kiebitz in den kommenden Jahren in Seefeld aussterben. Wir hoffen, dass alle Beteiligten nun mit Hochdruck an einer Lösung arbeiten. Denn das Aussterben des Kiebitzes muss verhindert werden. Nun ist ein schnelles Handeln der Behörden gefragt, mit dem Landwirt eine Lösung zu finden.

Constanze Gentz