Kiebitz-Jahresbericht 2022

Drittes Jahr in Folge ohne Reproduktionserfolg bei den Seefelder Kiebitzen

Es ist nun das dritte Jahr in Folge, dass sich die Hoffnung auf eine Fortführung des einst erfolgreichen Kiebitz-Schutzprojekts zerschlägt. Kein einziger Jungvogel konnte 2022 in Seefeld flügge werden.

Bei eisigem Ost-Wind trudelte der erste Kiebitz am 15. Februar im Aubachtal ein. Knapp einen Monat später konnten insgesamt sieben Kiebitze im Brutareal unterhalb des Hechendorfer Bahnhofs beobachtet werden. Vier Weibchen und drei Männchen balzten mit akrobatischen Flugdarbietungen. In Anbetracht des fortschreitenden Frühjahrs legten die Männchen bereits Nistmulden an und warben bei den Weibchen (Bodenbalz).
Die Untere Naturschutzbehörde stellte, wie im vergangenen Jahr, um die vom Landwirt freigehaltene Brache von ca. 1,2 Hektar einen Elektrozaun zum Schutz der Vögel auf. Der Acker umfasst insgesamt ca. 4,2 Hektar und wurde von den Kiebitzen bis vor einigen Jahren in seiner Gesamtheit als Brutareal genutzt.

Brutplatzlenkung: ein Tabu für den Kiebitz
In einer Empfehlung der Umweltbehörde an den in Seefeld betroffenen Landwirt ist eine Brutplatz-Lenkung beschrieben, die die Bodenbrüter wohl dazu bringen sollte, ausschließlich auf der Brache zu brüten. Eine derartige Regulierung kommt bei einem Brutareal von 4,2 Hektar und fehlenden passenden Ausweichflächen einer Verkleinerung des Brutraums und damit einer Dezimierung der lokalen Population gleich. Denn zwischen den Gelegen lässt der Kiebitz, in Semikolonien brütend, 30 bis 40 Meter Abstand.

Die diesjährige Einsaat des Ackers – ausgenommen der Brache – mit Wintergetreide wird von Kiebitzen wegen des zu schnellen Aufwuchses kaum angenommen. Brüten die Vögel dennoch in Wintergetreide, kommt es fast nie zu einem Reproduktionserfolg. Meist werden die Gelege wegen der fehlenden Übersicht zur eigenen Sicherheit von den Bodenbrütern zeitig wieder aufgegeben.

Brütendes Weibchen im Wintergetreide.
Foto: Constanze Gentz, 08.04.2022

Trotz allen Widrigkeiten begann ein Kiebitz-Paar nahe der Brache im Wintergetreide am 30. März mit der Brut. Ein zweites und drittes Gelege konnten dann innerhalb der Brache am 8. April und 12. April sicher durch den BUND Naturschutz ausgemacht werden. Auch bei der diesjährigen Betreuung wurde auf die Hilfe des BUND Naturschutz seitens der Naturschutz-Behörde ausdrücklich verzichtet.

Ein Sturm drückte im April den Elektrozaun teils um. Dieser musste am darauffolgenden Tag (9.4.22) repariert werden, um weiterhin Schutz zu bieten. Leider ist von der zuständigen Betreuung keines der Gelege registriert worden und die Reparatur bei nur knapp sieben Grad und einer Dauer von ca. 40 Minuten bewirkte die Aufgabe eines Geleges.

Durch den Sturm geschädigter Zaun.
Foto: Constanze Gentz, 08.04.22

Ein weiteres Gelege, vermutlich ein Nachgelege, konnte Ende April im benachbarten Acker ausgemacht werden. Die dortige Einsaat von Sommergetreide gewährt den Bodenbrütern länger Übersicht über das Gelände. Auch in der Brache versuchte ein weiteres Weibchen eine Brut, die aber leider erfolglos endete.

Endlich knackten die ersten Jungvögel die Schale der Eier Anfang Mai, so dass sich nun sieben Pulli vorerst in der Brache um die Feuchtstellen tummelten.
Leider fiel nun, wie im vergangenen Jahr, das starke Wachstum der Vegetation genau mit der Aufzucht der Jungvögel zusammen. Der schnelle Aufwuchs verursacht ein Abfließen des Stroms vom Zaun und dessen Schutz erlischt. Mit technischer Unterstützung wurde das schnell der Naturschutz-Behörde bekannt und diese veranlasste das Ausschneiden der stromführenden Litzen.

Elektrozaun nur um eine Brache mitten im Acker
Die umzäunte Brache befand sich mitten im Acker. Um den Zaun zu pflegen, ist ein Arbeiten mitten im Areal notwendig und verursacht eine massive Störung. Es hat sich nun zwei Jahre in Folge gezeigt, dass dieses Konzept kontraproduktiv ist. Der BN kritisierte von Anfang an dieses Konzept.
 
Unkrautdruck in mehrjähriger Brache
Zusätzlich war der Unkrautdruck in der Brache so hoch, weil die Brache zwei Jahre hintereinander genau an der selben Stelle eingerichtet wurde. Eine landwirtschaftliche Nutzung der Fläche hätte die Unkräuter des Vorjahres wieder verdrängt. Eine Kiebitz-Brache sollte nicht dauerhaft an der selben Stelle eingerichtet werden.

Die Ausschneide-Arbeiten und der hohe Unkrautdruck vertrieben die Kiebitz-Familien aus der vor Räubern geschützten Brache in den benachbarten Acker, auf dem bereits eines der Kiebitz-Paare brütete. Auch hier ist der Boden stellenweise nass und verhindert eine regelmäßig aufgehende Saat: Für den Kiebitz perfekt, denn er benötigt offene Bodenstellen zum Stochern. Am 16. Mai schlüpften aus dem Nachgelege weitere vier Jungvögel. So waren nun insgesamt elf Pulli stetig auf Nahrungssuche auf dem recht schmalen und von Schilf auf zwei Seiten eingerahmten Acker. Aber nicht nur die Jungvögel waren nun hungrig, sondern auch der Fuchs hatte Jungtiere zu versorgen. Die Fähe streifte immer wieder um den Acker herum und wurde von den Altvögeln attackiert. Das angrenzende Schilf und Gebüsch bot für Räuber eine perfekte Deckung. Am frühen Morgen des 22. Mai flogen die Altvögel verzweifelt und aufgeregt über dem Schilf.
 Von den elf Jungvögeln war kein einziger mehr zu sehen. Eine Prädation durch die Fähe war sehr wahrscheinlich. Schon am Tag darauf zogen alle Altvögel ab.

Fuchs wird von Kiebitz attackiert auf der benachbarten Wiese. 
Foto: Jonathan Gentz, 08.05.2022

Es wäre wünschenswert, wenn das einst so erfolgreiche Schutzprojekt endlich wieder für die Kiebitze ein passendes Konzept bieten könnte, um an den damaligen Erfolg anzuknüpfen. Im Jahr 2021 scheiterte das Konzept ebenfalls im selben Entwicklungsstadium der Pulli, am selben 23.05.2021. Der lokale Bestand von fast 13 Kiebitzen (2019 und 2020) reduzierte sich bereits auf sechs Kiebitze.

Die Vogelart ist gesetzlich geschützt, der Bestand ist zwischen 1980 bis 2016 in Deutschland um 93% eingebrochen. Um den Kiebitz zu retten, ist es angeraten, in den von den Behörden ausgewiesenen Feldvogelkulissen sinnvolle Maßnahmen für eine gesicherte Reproduktion durchzuführen. Die Feldvogelkulissen müssen mit einem verbindlichen Maßnahmenkatalog ergänzt werden, damit die mit Steuergeld unterstützten Kartierungen nicht ergebnislos bleiben. Auch das Seefelder Kiebitz-Brutareal wurde 2020 in die Feldvogelkulisse aufgenommen.

Grafik: Constanze Gentz, Stand 07/2022